Obwohl sich viele Internetpräsentationen im Prinzip an ein weltweites Publikum richten, schränken sie ihren Content sprachlich und damit ihre Zielgruppen deutlich ein. Reicht neben der deutschen eine englische Version der Website, um “globale Kunden” zu erreichen? Zur Frage, wieweit die Bewohner der verschiedenen Länder Englisch beherrschen bzw. im Internet verwenden, existieren kaum erstzunehmende Statistiken. Diesen Punkt werden wir hier  in einem kleinen Exkurs verfolgen.

Wir werfen einen ersten Blick auf die Weltregion, die durch die Geschehnisse in Fukushima in unseren Blickwinkel gerückt ist:  Südostasien. Die Region repräsentiert die verschiedensten Arten, auf welche Weise das Englische als Sprache fungiert, als erlernte Fremdsprache, als dialektal gefärbte Muttersprache und als Kreolensprache auf Basis des Englischen. Die Grundlage für die generelle Verbreitung der verschiedenen Varietäten des Englischen ist die wirtschaftspolitische Dominanz Englands und der USA in den vergangenen Dekaden.

Bezüglich der Details haben wir uns im Wesentlichen an Cliff Gordons “The Languages of East and Southeast Asia: an Introduction”, New York, 2005 sowie an David Crystals “English as a Global Language”, Cambridge, 2003 (2) angelehnt.

Im Folgenden eine Tabelle der südostasiatischen Staaten, ihrer Bevölkerungszahl und Sprachen laut Gordons. Die Reihenfolge ist alphabetisch.

Staat    –    Einwohner*  –  Offizielle Sprache/n   –  Weitere Hauptsprachen

Brunei  –  360.000  –  Malaiisch, Englisch  –  Mandarin, Min Nan, Min Gong, Yue, Hakka

China  –  1.311.710.000  –  Mandarin  –  Wu, Yue, Jinyu, Xiang, Min Nan, Hakka, Gan, Min Bei, Zhuang, Uighurisch, Yi, Mongolisch

Japan  –  127.655.000  –  Japanisch  –  Englisch

Kambodia  –  14.145.000  –   Zentral-Khmer  –  Vietnamesisch, Mandarin, Englisch

Laos  –  5.660.000  –  Lao  –  Mon-Khmer

Malaisia  –  25.425.000  –   Malaiisch  –  Min Nan, Tamil, Hakka, Yue, Mandarin, Englisch

Myanmar  –  49.490.000  –  Burmesisch  –  Shan, Karen-Sprachen

Nord-Korea  –  26.000.000  –  Koreanisch

Ost-Timor  –  998.000  –  Tetum/Tetun, Portugiesisch  –  Mambae, Makasae, Indonesisch

Philippinen  –  80.000.000  –  Philipino, Englisch  –  Tagalog, Cebuano, Ilocano, Hiligaynon

Singapur  –  4.250.000  –  Malaiisch, Mandarin, Tamil, Englisch    Min Nan, Yue

Süd-Korea  –  47.700.000  –  Koreanisch  –  Englisch (Bildung)

Taiwan  –  23.000.000  –  Mandarin  –  Min Nan, Hakka, Englisch (Bildung)

Thailand  –  62.835.000  –  Thai  –  Isan, Lanna, Pak Tai, Malaiisch, Min Nan, Englisch

Vietnam  –  81.380.000  –  Vietnamesisch  –  Muong, Zentral-Khmer, Nung, Hmong Daw, Tai Dam, Mien

Gesamtsprecherzahl mehr als 528 Millonen Sprecher ohne China; mehr als 1,8 Milliarden mit China

Durch eine englische Version einer Website wären nach diesen Zahlen die Nutzer aus Brunei, Japan, Kambodia, Malaisia, Phillippinen, Singapur, Süd-Korea, Taiwan, Thailand ansprechbar, nicht aber die in China, Laos, Myanmar, Nord-Korea, Ost-Timor und Vietnam. Also wäre die

Gesamtsprecherzahl des Englischen in Südostasien etwa 386 Millionen

Der aktuelle English Proficiency Index des Sprachlehrdienstleisters Education First  bewertet die Sprecher der Länder der Welt regelmäßig hinsichtlich ihrer Englischfähigkeiten. Unterstellen wir einer solchen Liste – das Unternehmen hat sicher ein gewisses Interesse an nicht allzu guten Ergebnissen – eine grundsätzliche Glaubwürdigkeit, müssen die obige Zahlen deutlich reduziert werden. Für 2010 bescheinigt der Index Malaisia bezüglich der Englischkenntnisse seiner Einwohner mit einem 9. Platz gute  und Japan und Südkorea mittlere Kenntnisse. Alle anderen südostasiatischen Länder verfügen hier über geringe bis sehr geringe Sprachkenntnisse, sind folglich nicht Zielgruppe englischsprachiger Websites. Zielgruppe sind demnach nur User aus Malaisia, Japan und Südkorea. Wir fügen die Philippinen hinzu, die in der Liste des EF fehlen, da wir wissen, dass Englisch hier bereits ab der 1. Schulklasse Unterrichtssprache ist und das Land über eine florierende englischsprachige Call-Center-Industrie verfügt. Die

Gesamtzahlsprecherzahl des Englischen läge nunmehr bei etwa 280 Millionen.

Wir fragen uns natürlich, ob ein derartig reich bevölkertes Land wie China, in unserer Liste oben bereits aussortiert, nicht vielleicht doch ein wenig zu diesen Zahlen beitragen kann, basiert der wirtschaftliche Aufschwung Chinas doch in erster Linie auf seinen weltweiten Export, der sicher ein globales Kommunikationsmittel benötigt. Ein Focus-Artikel vom August 2008 berichtet zu diesem Thema, ein Fünftel der Bevölkerung, also 250 Millionen Chinesen hätten zum Zeitpunkt der Olympischen Spiele Englisch gelernt, mit der Anwendung sähe es allerdings schlecht aus. Selbst die englischsprachige Staatszeitung China Daily habe die miserablen Englischkenntnisse der Chinesen beklagt. Untätig sind die Chinesen seitdem zwar nicht geblieben. Im Jahre 2010 hätten schätzungsweise 100.000 native englischsprachige Lehrer in China gearbeitet, so dictionary.com. Eine Redakteurin des Deutsch-Chinesischen Kulturnetzes antwortet uns auf Anfrage allerdings, nach ihrer Einschätzung wäre nicht mehr als 1 Prozent der Bevölkerung in der Lage, das englischsprachige Web zu nutzen. Das wäre für unsere Liste immerhin noch ein Zuwachs von 13 Millionen Usern.

Eine Nachfrage unsererseits relativiert jedoch auch die EPI-Werte. Lediglich Interessenten an Englischkursen mit Internetverbindung seien für den Index befragt wurden. Englischsprechende und Nicht-Englischsprechende ohne Internetverbindung sind nicht erfasst. Anschließende individuelle Befragungen, die wir auf dem Form justlanded.com unternahmen, bestätigen dann unsere Ahnung. Selbst Englisch sprechende bzw. schreibende Menschen in Malaysia, Süd-Korea, Japan und auf den Philippinen, so die Auskunft unserer – selbstverständlich statistisch nicht repräsentativen – Gesprächspartner, nutzen die englische Sprache nur in speziellen Fällen als Online-Kommunikationsmittel, bei der täglichen Suche nach Informationen, News, Verkaufsartikeln dagegen nicht. Außerdem nutze man nicht unbedingt Google, sondern die “landesüblichen” Browser (im Fall Südkoreas etwa naver.com).

Deutlich sollte spätestens an diesem Punkt werden, dass die Nutzung des Englischen als globale Sprache zur Ansprache eines internationalen Publikums nur bedingt sinnvoll ist, vor allem aber das Ziel, ein internationales Publikum über  Suchmaschinen zu erreichen, vermutlich eher über eine Festlegung der konkreten nationalen Ziele und Nutzung der jeweiligen Landessprachen und jeweils bevorzugten Suchmaschinen erreicht werden kann. Bei einer größeren Anzahl an Sprachen bietet sich in einem solchen Fall als praktischer Kompromiss die Produktion jeweils einer zusammenfassenden Seite pro Sprache an, die auf eine englische Seite verweist.

*gerundet

Erreichen englischsprachige Websites die globale Zielgruppe?
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